Der Karlsplatz in Düsseldorf ist für mich einer der interessantesten Orte dieser Stadt. Hier verbinden sich Stadtgeschichte und Gegenwart, Bodenständigkeit und internationales Flair, dieses auch im Angebot der zahlreichen Händler die diesen Platz als Markt nutzen. Obst, Gemüse, Fisch, Blumen und Delikatessen, Menschen aller Länder und Kulturen, hier ist immer alles live…!
Tradition ist (bei mir) die richtig zünftige Dauser- Erbsensuppe oder andere Hausmannskost, zum Entsetzen derer, die da heute behaupten, so etwas sei eher ungenießbar.
Menschen die, wie ich auch, kennen was Hunger ist, wissen in der Regel solch einfache Hausmannskost etwas mehr zu schätzen.
Äzezupp (Düsseldorfer Platt) ist für mich eine Köstlichkeit und ich freue mich, mir heute diese unbeschwert leisten zu können.
Nicht alle Menschen können das, auch Anno 2015 nicht.
Am Stehtisch genieße ich zusammen mit drei weiteren Menschen meine kleine Pause und besagte Erbsensuppe.
Es ist Sonnabend und wie meist um diese Zeit sehr voll, als ein junges Mädel, von ihrer Mutter eher unsanft, an unseren Tisch geschoben wird. „Frag jetzt!“ höre ich die Mutter und wie befohlen tönt es aus dem Mund der Tochter: „Ist hier noch ein Platz frei?“
Alle rücken, mit Tochter und Mutter gesellt sich zu den Tellern mit Eintopf und dicken Bohnen jetzt ein Teller mit Milchreis mit Früchten.
„Guten Appetit“ wünscht die Mutter, die Tochter schweigt.
Ein hübsches Kind, denke ich, vielleicht 11 oder 12 Jahre jung, wunderschöne lockige, lange Haare, schöne Augen und sie lacht. Es freut mich, wie leicht und unbeschwert unsere Jugend heute ohne Ängste und Sorgen aufwachsen kann.
Mit der vollen Faust umschließt das Mädel den Löffelgriff und fängt an zu schlürfen.
Und siedend heiß kommt die Erinnerung und ich spüre förmlich den Schlag meiner Mutter am Hinterkopf: „So wird nicht gegessen, das ist keine Mistforke, fass den Löffel richtig an!!!“
Sag ich doch, die Kids haben es heute einfacher…..
„Hallo, ich bin auch wieder da!“ der Vater gesellt sich zu unserer Runde, während sich die Mutter gleichzeitig verabschiedet.
„Du Papa, von dem Sushi gestern Abend habe ich etwas Bauchweh gehabt“ höre ich die Kleine klagen.
Toll, was die heute alles schon kennen und dürfen, denke ich.
Vaters Handy meldet sich, er nimmt es zur Hand und ein freundliches „Hallo“ begrüßt den Anrufenden.
„Nein! Jetzt rede ich mit dir!“ meldet sich recht energisch seine Tochter und unterbricht das Gespräch des Vaters.
Der legt auch brav sein Handy zur Seite.
„Du Papa, gehen wir nachher noch mal in den Shop? Ich möchte gern dies T-Shirt haben!“
Die Antwort ist nicht ganz verständlich, bedeutet auf jeden Fall kein klares Ja.
„Ich will das aber! Außerdem kostet das nur 220 €uro!!!“
Ups, ich halte die Luft an, bin sprachlos. 220 €uro?
Eine Menge Kohle, dafür müssen viele Menschen ( so auch ich), lange arbeiten. Und dann nicht einmal ein „Bitte“ sondern nur ein bestimmender Ton?
Meine Gedanken schweifen ab und werden durch “ich will jetzt eine Apfelschorle!“ in die Realität zurückgerufen.
„Wenn du demnächst in Amerika auf dem College bist, kann ich dir das auch nicht mal eben holen!“ entgegnet der Erziehungsberechtigte ,um dann aber doch los zu stapfen um seine Tochter zu bedienen.
Mich verwirrt das Ganze, nur Forderungen, kein Bitte, kein Danke, dafür sehr hohe Ansprüche und Eltern, die für ihre Kinder springen…. der Traum von einer Jugend?
Selber habe ich gegenteilige Erfahrungen machen müssen…. oder... vielleicht dürfen?
Was ist besser, was gut, was richtig oder falsch?
Ich weiß es nicht, habe aber die leise Befürchtung, das solche „Erziehung“ auch nicht das Wahre ist.
Die Zukunft wird diese Frage beantworten.
Selber muss ich erkennen, das bei mir, mit meinen über 60 Jahren vielseitigster Lebenserfahrung, nicht Wissen und Weisheit des Alters eingezogen sind, sondern auch hin und wieder Ratlosigkeit…
Übrigens: das ist kein Märchen, sondern so geschehen am Samstag den 8. August 2015 gegen 13:00 Uhr am Karlsplatz in Düsseldorf.
Rene Krombholz