Als Ende November 2014 Nähe Uni Gelände eine Straßenbahn entgleiste und zahlreiche Schwerverletzte sofortiger Hilfe bedurften, wurde dieser Unfall von einem Autofahrer (während der Fahrt) gefilmt. Zu erkennen war das er seine Fahrt trotz des erkennbaren Unfalls unbeirrt fortsetzte. Tags später tauchte dieses Video im Internet auf und damit die Frage: „warum hast du nicht gehalten und erstmal erste Hilfe geleistet?“
Es brach ein Sturm der Entrüstung los, allerdings nicht wegen der unterlassenen Hilfeleistung sondern gegen den Fragesteller! „Für sowas ist schließlich die Rheinbahn zuständig.“ - „Standen doch genug andere da!“ – „Warum soll man helfen, wenn man keinen davon kennt?“ - Was soll solch ein Quatsch? Dafür gibt es Polizei und Feuerwehr!“ Den Kommentatoren (meist jüngeren bis mittleren Alters) scheint der Begriff Hilfsbereitschaft ebenso unbekannt wie die gesetzlich verankerte Pflicht zur ersten Hilfe.
Ähnlich sah es aus, als in den ersten Dezembertagen die Notfallnummern bekannt gegeben wurden, die Hilfe bringen soll wenn Obdachlose zu erfrieren drohen. Antwort der Facebookgemeinde einer Düsseldorfer Gruppe: „jedes Jahr der gleiche Scheiß!“
Das wir über die Salafisten Gemeinde alle nicht glücklich sind, dürfte unnötig sein zu betonen. Alles was nicht als „Deutsch“ erkennbar ist sofort als „Pack“ zu bezeichnen, scheint ein neuer Umgangsjargon zu werden. Wir wissen, dass es aktuell Länder gibt in denen Menschenrechte keinerlei Gültigkeit besitzen. Wir hören von Folter, von Hunger und Elend und sind so ignorant um zu fragen: „Was soll das Pack hier!?“ (Originalton Facebook)
Wie gehen Menschen neuerdings miteinander um?
Werte wie Hilfsbereitschaft, Rücksicht, Respekt, Verständnis, sind deutlich weniger gefragt. Erfolg, Ellenbogen und Durchsetzungsfähigkeit haben Priorität. Kinder und Jugendliche haben grenzenlose Freiheit gelernt, doch wo bleiben die Pflichten? Sind es nicht gerade die „altmodischen“ Werte die zwingend notwendig sind, um zu einer funktionierenden Gesellschaft beizutragen?
Letztlich bestimmen wir selber, welcher Werteorientierung wir uns zuwenden. Ob wir weiter im Hamsterrad laufen um uns unseren vermeintlich wichtigen Lebensstandard mit Mehrfachurlaub, Smartphon und Statussymbolen zu finanzieren oder ob wir auch mal innehalten. Um uns unseren Mitmenschen zu zuwenden, unseren Kindern und Enkeln beispielsweise. Das ist vor einigen Jahrzehnten nicht passiert, aus „Schlüsselkindern“ entstand eine Generation welche nach Werten suchte. „Orientierungsvakuum“ und „Werteverlust“ resümierten die Wissenschaftler – als Freiheit (ohne Verantwortung) sahen es die Anderen. Das war der Übergang zur Konsumgesellschaft, plötzlich reichten die Familieneinkommen nicht mehr für die vielen neuen und verlockenden Angebote. Egal ob Freizeit, Reisen, Multimedia und PC, Handys und smartphons, unglaublich viele Dinge die es vorher nicht gab, kosteten jetzt Geld. Die Berufstätigkeit für beide Ehepartner wurde normal, für die Kinderstand jetzt weniger Zeit zur Verfügung. Niemand hatte den jungen Paaren gesagt, das die Entscheidung pro Kinder gleichzeitig auch eine Entscheidung zur Einschränkung der eigenen Bedürfnisse ist. Verzichten möchte heute niemand mehr, es ist ein Unwort geworden. Die Folgen erleben wir heute und in den kommenden Jahren.
Stellt sich die Frage: Sind wir auf der „Höher, weiter, schneller“ Autobahn hier oder irgendwo unbemerkt falsch abgebogen?
Oder sind wir schon entgleist???
Rene Krombholz
Dezember 2014