Sonntag, 09 Februar 2014 12:03

Quo Vadis Bilk?

Geht man durch Bilk, fallen zur Zeit viele Ladenlokale auf, die leer stehen.

Schlecker hat auf der Bilker Allee und Lorettostraße die Läden geräumt. Der Seifenladen auf der Lo ist nicht mehr da, geht man von der Bilker Kirche Richtung Arcaden, sieht man das ehemalige Geschäft von Optik Müller und das Ladenlokal Ecke Bilker Allee zur Friedenstraße. Ebenfalls leer.
Die Friedrichstraße lädt im Moment auch nicht groß zum verweilen ein. Also viel Freiraum in unserem Viertel. Wir wünschen uns hier Leben und viele neue Eindrücke, die hoffentlich nicht all zu lange auf sich warten lassen.

Bilk.  Ein Stadtteil im Wandel. Während einige noch gar nicht realisieren und wahrnehmen was hier passiert, sind andere schon längst am planen, rechnen und spekulieren. hieß es vor noch nicht allzu langer Zeit. Gemeint waren damit die gewachsenen Strukturen, viele Familien die über Generationen hinweg hier ihre Heimat fanden. Folge: man kennt sich, tauscht sich aus, steht und arbeitet zusammen, auch in Richtung einer funktionierenden Gemeinschaft des Stadtteils.auch die gesellschaftliche Entwicklung trägt dazu bei.

Nicht wenige unserer jüngeren Menschen sind nach dem Motto „Meinen Kindern soll es mal besser gehen“ mit einer geringen Anforderung an Regeln und Grenzen groß geworden und agieren heute nach dem Motto: „meinen Dreck macht die Stadt weg, dafür bezahl ich Steuern!“
Während sich engagierte Bürger für die Verschönerung des Bezirks einsetzen, Geschäfte und Bezirksverwaltung Blumenkübel zur Verschönerung finanzieren, hinterlassen Andere des Abends auf dem Weg ins angesagte Hafenviertel eine Spur der Verwüstung.

Das was Lehrer, Ausbilder, Unternehmer seit Jahren bemängeln, zeigt sich auch hier: ein großer Teil dieser Generation ist im Wohlstand groß geworden, viele haben alles bekommen und erreicht ohne dafür angemessene Leistungen erbracht haben zu müssen. Dementsprechend sind heute die Ansprüche und Forderungen. Verwöhnt!
Die früher als „weltbestes Eishockeypublikum“ gelobten DEG Fans waren fair und das „Heja Heja“ aus 10.000 Kehlen fand auch – oder sogar gerade - bei einem  Rückstand der Düsseldorfer Kufenflitzer statt. Heute erleben wir nach 5 Minuten Spielzeit gellende Pfiffe der Fans beim zweiten Fehlpass. Siege sind gefragt, dafür hat man schließlich bezahlt und das damit das Recht zu fordern…

Genauso sieht es in Gemeinschaften, Initiativen und Vereinen aus. Das Verhalten passiv zu konsumieren, einzufordern und meckern wenn etwas nicht den eigenen Vorstellungen entspricht  führt dazu das immer weniger Menschen bereit sind, sich irgendwo einzubringen und Pflichten oder Posten zu übernehmen. Egal welche Gruppe oder welcher Verein, dieses Phänomen verzeichnen Alle und sind in ihren Tätigkeiten  inzwischen sogar bereits eingeschränkt.
Selbst vor zweckmäßigen Gemeinschaften macht diese Entwicklung nicht Halt. Saßen vor einem Jahr noch die drei Bilker Werbegemeinschaften an einem Tisch so bröckeln derzeit die Mitglieder heraus.

Viele Attraktionen, die ein Stadtviertel interessant und lebendig halten, stehen auf der Kippe. Den Veranstaltern fehlt es durch immer weniger Mitglieder(Beiträge) an Geld und Personal, zusätzliche Auflagen der Behörden nach der Duisburger Loveparade kommen erschwerend hinzu. Radrennen, Feste von Bürgerinitiativen oder Werbegemeinschaften, Fußballturniere oder Brauchtumsveranstaltungen sind an der Grenze der Finanzier- und Belastbarkeit angekommen, stehen zusätzlich im Schatten von Mammutsevents.
Das Motto „Immer größer, immer höher, schneller, immer mehr bietet scheinbar mehr Anreiz, als Spaß und Freude an einem – wenn auch kleinerem)  Miteinander.

Immer mehr, immer besser, die Ansprüche sind hoch und wachsen weiter. Deutlich mehr Freizeit (im Vergleich zu der 48 Stundenwoche der vorherigen Generation) kostet auch mehr Geld. Freizeit wird genutzt und das hat seinen Preis, der Einzelne gefühlt weniger Geld.
Die „Geiz ist geil“ Mentalität versprach Abhilfe und die Zahl der Discountmärkte wuchs rasant. Im selben Tempo wie diese entstanden, verschwanden Metzger, Bäcker, Gemüsehändler und Handwerker.

Verbraucher sparten beim Einkauf, die Gemeinschaft verlor! Wurden bisher Vereine und Stadtteilaktivitäten durch Kaufleute und Handwerker gesponsert, so haben Discountmärkte daran keinerlei Interesse. Es zählt einzig der Umsatz, willkommen ist das Geld – nicht unbedingt der Mensch, auch wenn mittlerweile in einigen Märkten wenigstens die Menschen freundlich gegrüßt werden.

Discount ist ein anderes Geschäftskonzept. Niedrigere Verkaufspreise werden durch hohe Umschlagszahlen aber auch Einsparungen erreicht. Discounter sind kühle Rechner die um zehntel Cent beim eigenen Einkauf feilschen, wie Produkte zum geforderten Einkaufspreis produziert werden ist dabei zweitrangig. Bedenklich wird es wenn auf Grund des Preises an Service, Qualität oder den Mitarbeitern gespart wird. Geflügel mit Antibiotika, Klebefleisch, BSE, Gammelfleisch, Analogkäse haben hier ihren Ursprung. 

Niedrige Preise bedeuten fast immer auch niedrige Löhne für Mitarbeiter. Erst vor wenigen Monaten stand eine große (auch in den Düsseldorfer Arkaden ansässige) Friseurkette vor Gericht, Vorwurf der Anklage: Lohndumping in 825 Fällen! So werden Niedrigpreise gemacht und Verbraucher fühlen sich glücklich. „Warum soll ich den Unternehmer reich machen?“ fragt sich heute so mancher. Fakt ist: Einzelunternehmen haben es inzwischen schwer zu überleben. Discounter haben in der Summe die höheren Gewinne, nicht die Chefs die mit ihrem Geschäft den Lebensunterhalt für eine Familie erwirtschaften müssen.
Sparen ist angesagt, oft aber ein Trugschluss: die im Discountmarkt  tätigen Menschen müssen leben und werden bei zu wenig Lohn vom Staat unterstützt. 10 Millionen Mehraufwand bedeutete das allein 2011 für die Stadt Düsseldorf und hat Kürzungen in allen Bereichen, bis hin zum Personalabbau zur Folge. Die Sozialkassen verzeichnen durch niedrigere Löhne weniger Einnahmen, der Ausgleich findet in Form von Praxisgebühren zu Zuzahlungen statt: einige  hundert Euro müssen Bundesbürger im Schnitt jährlich aufwenden. Schlechtere Leistungen dafür inbegriffen: wie lange müssen wir heute auf  Termine beim Arzt oder Röntgeninstitut warten? Das ist teils bedenklich.. aber auch Folge vorgenannter Umstände.

So manche Ladenlokale in Bilk stehen derzeit leer, Angebote wechseln. Was wir als Verbraucher annehmen oder ablehnen, was wir konsumieren, denken und wie wir handeln, das hat stets auch Auswirkungen auf unseren Umkreis – was uns vielfach nicht bewusst ist.
Nicht (nur) die Politik bestimmt die Zukunft unserer Heimat, sondern im Wesentlichen wir selber!

Quelle: Rene Krombholz für die BILKER STERNWARTE

Letzte Änderung am Dienstag, 11 Februar 2014 20:45