Sonntag, 05 Januar 2014 21:58

Brehmstraße

Ein Dokument der Zeitgeschichte.

Dieser Artikel wurde vor Jahrzehnten von Rudolf Meuer geschrieben. Er war Redakteur ( auch Sportredakteur) mehrerer großer deutscher Zeitungen ( und mir ein guter Freund... )

DIE BREHMSTRASSE

Sie ist Synonym für Eishockey und Begeisterung. Einmal auch für Eiskunstlauf.
Ich bin seit der ersten Stunde Anhänger. Inzwischen bin ich älter geworden, aber jung genug geblieben, die Begeisterung von damals immer wieder nachzuvollziehen. Sie war in jenen Jahren auch der Ausdruck für ein Wunder.

Ein Eisstadion am Rhein!
Was hatten wir denn schon? Da waren die großen viereckigen mit Basaltquadern eingefaßten Kribben am Rhein unterhalb des Heerdter Krankenhauses, einst ein rostfarbener Ziegelbau mit frommen Schwestern. Diese Kribben, nur bei Hochwasser überspült, hatten keine direkte Verbindung zum Strom, waren wie Teiche, galten als Schutz für den Damm, auf den der Rhein geradewegs zufließt, bevor er wie in einem rechtwinkligen Dreieck abbiegt.

In manchen Wintern der zwanziger und dreißiger Jahre froren sie aufgefüllt nach jedem Hochwasser zu, wenn es Frost zuließ.
Da waren die überfluteten Rheinwiesen am Pappelwäldchen vor Niederkassel und Lörick die - wenn - kilometerweit Eisbahnen wie auf Hollands Kanälen glichen. Holprig zwar, aber weit.

Da waren die bei Frost bespritzten und gefrorenen Tennisplätze von Grün - Weiß unterhalb des Kaiser-Friedrich-Rings und die an der Altenberg Straße des Hockeyclubs.

Das große, langanhaltende Natureis aber gab es nicht. Wir liefen begeistert Schlittschuh - sie waren an den Straßenschuhen mittels Halterungen und Riemen befestigt - ohne System und sportliche Aussichten.

Da hatte 1935 vor den Olympischen Winterspielen in Garmisch ein Sportmäzen einen für das Rheinland einmalizen Traum wahrgemacht.

Er hieß Ernst Poensgen, war Vorstands-Vorsitzender der Vereinigten Stahlwerke, dem Ruhrkonzern für Kohle und Stahl, mit Sitz in Düsseldorf. Wo er war, war wer. Eine Persönlichkeit. Sein Herz schlug für den Sport. Ich kannte ihn. Durch seine Initiative und mit aller Unterstützung entstand für den Westen fast unvorstellbar ein Kältewetter unabhängiges Eisstadion.

Damals begann an der Brehmstraße das Wunder DEG und Publikum.

Poensgen hatte aussichtsreiche Arbeitsplätze zu vergeben. So kamen über Nacht viele Nationalspieler an den Rhein. Die Rohde, Orbanowski, Schmiedinger oder Kessler. Offizielle Bezahlung gab es nicht. Ein Amateur spielte für die Ehre und einen guten Job.

Das Stadion war nicht überdacht, seine Feinde Regen und Hitze. Aber es gab eine Tribüne. Und auf Anhieb tausende Anhänger, die Fans von damals.

Eishockey im Westen, wo es nie richtig fror, das war eine Sensation.
Die Übersportler mit Puck und Schläger kamen aus Rastenburg in Ostpreußen, von Riessersee, aus Füssen, ja aus dem sportpalastüberdachten Berlin. Schibukat, Jaenecke - das waren die Idole.

Aber wir fieberten - eishockeyverrückt vom ersten Spiel an mit der aus der Retorte gekommenen DEG. Plötzlich spielten an der Brehmstraße im schnee- und eisfernen Westen die Cracks aus Füssen, Riessersee, vom Berliner Schlittschuh-Club und aus Rastenburg.

Es kamen Kanadier und spielten vor Olympia in Garmisch hier Schau. Kanada Ost gegen Kanada West 12 zu 11 oder umgekehrt. Wir waren im Begeisterungsrausch.

Eine andere Faszination kam hinzu. Die Eiskunstläufer der Welt. Sonja Henie, Vivien Hulten, Cecilia Colledge, Megan Taylor, Ernst Baier, Maxi Herber, Karl Schäfer, sie wurden in der Sportwelt bewundert und gefeiert.

Wie bei uns.

DEG, Brehmstraße, Eisstadion - für uns Jungen war ein Traum wahr geworden: Dabeiseinkönnen. Denn „Fernsehen-können" bestand ja nur in kleinen Ausschnitten in Wochenschauen oder Filmen von Olympia im Kino. Fan der ersten Stunde, ein Stück Begeisterungsgeschichte des Publikums von der Brehmstraße.

Und diesen Fan der ersten Stunde gab es nocheinmal, nach dem Krieg als aus dem Nichts die ersten Spiele einer neuen DEG begannen. Es war schön, jedoch zaghaft.

Die rheinische Eishockeymacht war inzwischen nach Krefeld übergesiedelt. In der Rheinlandhalle spielten KEV und Preußen. Sie waren die neuen Meister.

Aber die Brehmstraße ließ uns nicht los.
Ich war zur berichtenden Zunft mit Günter Sabetzki, Hermann Scheerbarth, Gustav Schwenk und manch anderen gestoßen.

Das Kunstlaufen ergänzte den Wiederanfang. Kilius/ Ningel sechs Jahre jung als Kinderpaar, die sommersprossige, junge Ina Bauer als Nachwuchs, Gundi Busch und die Falks als Weltmeister, und die tanzenden Baiers und Pausins - Träume aufs Eis gezirkelt.

Eis und Begeisterung waren nicht eingebrochen. Die neuen Fans machten es möglich. Die DEG kam wie der Phönix aus der Asche, wenn auch nicht nur oben, so doch dabei.

Brehmstraße steht sportweit für Fans, Fairness und Freuen.

Sie ist vor allem die Straße ihres Publikums.
Ein Fünf-Sterne-Hotel des Sports. Jedes Menü mit anderen Gängen. Und fast nie ohne besonderen Geschmack.
Die Fans wissen es zu schätzen.

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Letzte Änderung am Sonntag, 02 Februar 2014 13:25